Imam Chamenei ruft zur Einheit auf

Am 16. September 2024 hielt Imam Chamenei, bei einem Treffen mit einer Gruppe von Gelehrten und führenden Persönlichkeiten der Sunniten des Landes, eine Rede. Es folgt die sinngemäße Übersetzung der Rede aus dem persischen Original. Obwohl es für alle hier veröffentlichten Texte gilt, wird darauf verwiesen, dass die Übersetzung zu Dokumentationszwecken ohne jegliche Kommentierung erfolgt und die dargestellte Meinung nicht mit der Meinung der Herausgeber übereinstimmen muss.


Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Begnadenden

Aller Dank ist Allahs, des Herrn der Welten, und der Frieden und Segen seien mit unserem Meister und Propheten Abul Qasim al-Mustafa Muhammad und seiner reinen, fehlerlosen und auserwählten Familie und insbesondere mit dem Verbliebenen Allahs auf Erden (Baqiyyatullah, Imam Mahdi).

Für mich ist diese Versammlung, die heute im Zeichen des gesegneten Namens des heiligen Propheten stattfindet, sehr schön, interessant und süß. In der Vergangenheit hatten wir gelegentlich Versammlungen mit den Gelehrten der sunnitischen Brüder – insbesondere mit den Gelehrten der Belutschen, zu denen ich schon lange eine Beziehung pflege – aber für nun schon eine Weile hatten wir eine solche Versammlung nicht mehr gesehen. Heute, Gott sei Dank, sind Sie hier anwesend. Mit einigen dieser Herren, wie Herr Mowlawi Abdolrahman, Mowlawi Sadati, Herr Molla Ghader – der heute leider nicht anwesend ist – und Herr Mowlawi Abdossamad, habe ich seit langem eine Verbindung und Freundschaft, mit manchen seit der Zeit des Exils in Iranshahr, und mit manchen seit den frühen Tagen der Revolution [zu Beginn dieses Treffens äußerten sich Mowlawi Abdolrahman Chabahari, Mowlawi Abdolrahim Khatibi und Mamusta Abdossalam Emami (sunnitische Gelehrten aus den verschiedenen Regionen Irans, teils auch Freitagsimame)]. Gott sei Dank, die hier anwesende Gruppe ist eine erlesene Auswahl der sunnitischen Persönlichkeiten unseres Landes. Auch die Reden, die Sie gehalten haben, waren sehr gut und richtig, und möge Gott uns helfen, dass wir alle im Sinne der hohen Ziele des Islam voranschreiten können.

Mein Hauptanliegen ist das Thema der „Islamischen Umma“ (Islamische Weltgemeinschaft). Seit Jahren lege ich ganz bewusst besonderen Wert auf den Begriff „Islamische Umma“, damit wir nicht vergessen, dass wir eine Umma sind. Ja, einige von uns sind Iraner, einige sind Iraker, einige Syrer und so weiter, aber diese Grenzen verändern nicht die Wahrheit der „Islamischen Umma“. Der ganze Einsatz der Feinde des Islam war darauf ausgerichtet, uns gegenüber der gemeinsamen Identität, die „Islamische Umma“ heißt, gleichgültig zu machen. Es kann nicht sein, dass ich mich als Muslim sehe, aber gegenüber dem Leiden eines Muslims in Myanmar oder in Gaza oder in Indien oder irgendwo anders gleichgültig bleibe. Das ist unmöglich. Das widerspricht den Lehren und Grundsätzen des Islam. Vielleicht können Sie persönlich nichts tun, um ihm zu helfen, aber Mitgefühl und Solidarität sind eine Realität. Das muss vorhanden sein.

Meine größte Anstrengung und Sorge in Bezug auf die schiitisch-sunnitischen Angelegenheiten in unserem Land richtet sich darauf, dass wir den Begriff „Islamische Umma“ nicht vergessen. Ich bitte Sie, diesen Begriff „Islamische Umma“ in den Freitagsgebeten und in den großen Versammlungen, die im Zusammenhang mit herausragenden Persönlichkeiten der Sunniten in verschiedenen Bereichen stattfinden, zu wiederholen. Machen Sie deutlich, dass wir verstehen, dass wir neben der Eigenschaft, Iraner zu sein, auch eine höhere und wichtigere Eigenschaft haben, nämlich Muslim zu sein und Mitglied der Islamischen Umma zu sein. Das ist ein wichtiger Aspekt.

Der zweite Aspekt ist, dass allein diese Versammlung von einigen Dutzend Menschen hier in der Welt bei einigen Feinden eine Reaktion hervorrufen wird. Schon allein unser Zusammensitzen wird einige Leute zu einer Reaktion bewegen. Sie wollen nicht, dass dies passiert, sie wollen nicht, dass es keine religiösen Unterschiede gibt. Natürlich haben die Briten in diesem Bereich mehr Erfahrung, und die Amerikaner haben von ihnen gelernt. Wir müssen wissen, dass einflussreiche Kräfte auf geistiger, propagandistischer, medialer und wirtschaftlicher Ebene arbeiten, um Schiiten und Sunniten in unserem Land und überall auf der Welt zu trennen. In unserem Land hat diese Aktivität nach dem Sieg der Revolution zugenommen; um ein Vielfaches mehr als vor der Revolution. Vor der Revolution waren die Feinde im Land in diesem Bereich weniger aktiv, nach der Revolution aber fanden sie die Motivation, einen Keim des Konflikts zu verstärken und zu schaffen, und der beste Weg, wie sie dachten, war der religiöse Konflikt. Sie brachten einige auf der einen Seite dazu, die andere Seite zu provozieren, zu beleidigen und schlecht zu reden, und sie brachten einige auf der anderen Seite dazu, dasselbe gegenüber der anderen Seite zu tun. Dieser Widerstand existiert und da dieser Widerstand existiert, ist das Heilmittel, dass wir auf „Einheit“ bestehen.

Die Einheit, wie schon erwähnt, ist keine Taktik, sondern ein grundlegendes Prinzip des Islam. Einheit ist eine quranische Anordnung. Wenn es im Quran heißt:

وَاعْتَصِمُوا بِحَبْلِ اللَّهِ جَمِيعًا وَلَا تَفَرَّقُوا

„Und verbindet euch mit Allahs Strang allesamt und scheidet euch nicht ab.“ [Heiliger Quran, 3:103], dann ist das von großer Bedeutung. Es bedeutet, dass selbst bei der Festhaltung am Seil Gottes, was eine der wichtigsten Aufgaben ist, Einigkeit erforderlich ist. Beim Festhalten am Seil Gottes, dessen Symbole beispielsweise die Pilgerfahrt oder das Freitagsgebet sind, ist die Versammlung, gemäß dem Quran und der islamischen Rechtssprechung, von großer Bedeutung. Das ist sehr wichtig. Oder in den Versen der Sure al-Hudschurat heißt es: 

وَإِن طَائِفَتَانِ مِنَ الْمُؤْمِنِينَ اقْتَتَلُوا فَأَصْلِحُوا بَيْنَهُمَا ۖ فَإِن بَغَتْ إِحْدَاهُمَا عَلَى الْأُخْرَىٰ فَقَاتِلُوا الَّتِي تَبْغِي حَتَّىٰ تَفِيءَ إِلَىٰ أَمْرِ اللَّهِ

„Und falls zwei Gruppen unter den Überzeugten sich bekämpft haben, so versöhnt zwischen beiden. So falls sich vergangen hat Eine von beiden gegen die Andere, so kämpft (gegen) diejenige, die sich vergeht, bis sie sich zurückwendet zu Gebot Allahs.“ [Heiliger Quran, 49:9]. Das bedeutet, dass die Einheit so wichtig ist, dass, wenn jemand Unrecht begeht, gegen ihn gekämpft werden muss, um ihn zur Einheit zurückzuführen. So wichtig ist die Einheit! Dies kann nicht ignoriert werden. Später folgt: 

إِنَّمَا الْمُؤْمِنُونَ إِخْوَةٌ فَأَصْلِحُوا بَيْنَ أَخَوَيْكُمْ

„Wahrlich, was die Überzeugten sind, sind ja Geschwister. So versöhnt zwischen euren beiden Brüdern.“ [Heiliger Quran, 49:10]. Das bedeutet, dass die Einheit ein quranisches Prinzip ist, und wir dürfen sie nicht vernachlässigen.

Es gibt einige, die die Einheit stören; manche bewusst, manche unbewusst. Die Unwissenden auf beiden Seiten tun dies unwissentlich; die Wissenden tun es oft absichtlich. Man muss gegen diese vorgehen. Sie verstehen nicht, welchen Schaden religiöse Spaltung für die islamische Welt, für den Islam selbst, für die islamische Gemeinschaft und für jedes einzelne muslimische Volk bedeutet. Es ist erstaunlich, dass sie dies nicht begreifen. Sie provozieren gegnerische Strömungen. Man sieht, dass eine takfiristische Bewegung entsteht, die sowohl schiitische Gelehrte als auch den Sheich al-Islam von Sanandadsch angreift [Mamusta Mohammad Sheich al-Islam wurde am 17. September 2009 vor der Seyyed Qotb-Moschee in Sanandadsch erschossen und zum Märtyrer] und auch Mowlawi Hossein Bor aus Belutschistan angreift [Mowlawi Faiz Mohammad Hosseinbor wurde am 12. Mai 1981 bei einem Attentat erschossen und zum Märtyrer]. Es macht für sie keinen Unterschied, ob jemand schiitisch oder sunnitisch ist. Sie bekämpfen jeden, der zur Einheit aufruft. Das sind Feinde, und das darf man nicht übersehen.

Ich bin Gott wirklich dankbar, dass die sunnitische Gemeinschaft im Land trotz all dieser feindseligen Intrigen und Absichten Widerstand geleistet hat. Sie haben Widerstand geleistet. Wie bereits erwähnt, haben wir von den Sunniten – sowohl im Heiligen Verteidigungskrieg als auch an anderen Orten – 15.000 Märtyrer; wir haben in verschiedenen Regionen Märtyrer unter den Gelehrten gehabt. Viele der sunnitischen Gelehrten sind auf dem Weg der Wahrheit und der Revolution als Märtyrer gefallen. Unser Ziel ist die Ehre der islamischen Gemeinschaft, und diese Ehre kann nur durch Einheit und Zusammenhalt erreicht werden. Wir müssen alle in diesem Bereich arbeiten.

Ich glaube, eine der wichtigsten Pflichten heute ist die Unterstützung der Unterdrückten in Gaza und Palästina. Dies ist zweifellos eine Pflicht, und Gott wird uns am Tag des Gerichts zur Rechenschaft ziehen, wenn wir diese Pflicht nicht erfüllen. Jeder sollte tun, was er kann; manche können Geld geben, andere können Waffen liefern, andere können politische Unterstützung bieten, und wieder andere können darüber sprechen, in Predigten und Freitagsgebeten. Wenn wir diese Aufgabe vernachlässigen, werden wir mit Sicherheit zur Rechenschaft gezogen. Möge Gott, so Gott will, die islamische Gemeinschaft erheben.

Ich danke euch, liebe Brüder, dass ihr heute hierher gekommen seid, und auch Herrn Mohammadian [Hodschat ul-Islam Mohammad Mohammadian (Beauftragter für religiöse Beziehungen im Büro Imam Chameneis)] und seinen Freunden, die diese Versammlung organisiert haben und mir die Gelegenheit gegeben haben, euch hier zu sehen.

Möge Gott, so Gott will, die islamische Gemeinschaft erheben. Möge Gott, so Gott will, die Herzen der muslimischen Brüder aus verschiedenen Gruppen und Konfessionen einander näherbringen und die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rücken. Wir haben so viele Gemeinsamkeiten, aber oft sehen wir sie nicht. Stattdessen betonen wir meistens die Unterschiede. Möge Gott uns helfen, diese Aufgaben zu erfüllen.

Mögen Gottes Grüße, Gnade und Segen mit Euch sein.